Motive
Mit der Öffnung des Schengenraums im Jahr 2007 und der zunehmenden Liberalisierung des Handels ist innerhalb der EU ein gesteigertes Gefahrenpotential Opfer von Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung zu werden, sowie eine Eröffnung neuer Schlepperrouten über Osteuropa zu verzeichnen (vgl. Österreichisches Bundesmininsterium für Inneres 2012: 219). Deutschland und Österreich fungieren durch ihre zentraleuropäische Lage als Transit- und Zielländer. Deutschland gilt dabei auch als Ursprungsland (vgl. U.S. Department of State 2014: 83, 183).
Obwohl die Vielschichtigkeit des grenzüberschreitenden Verbrechens nicht nur einen interdisziplinären und transnationalen Präventions- und Interventionsansatz, sondern auch einen entsprechenden Forschungsansatz unabdingbar macht (EUROSTATS 2013: 41), erfolgte die wissenschaftliche Betrachtung der Thematik bislang meist durch Projekte, die sich auf eine Forschungsrichtung konzentrierten (vgl. dazu z.B. Herz 2005). Eine essentielle Schwierigkeit in der Erforschung ergibt sich aus der hohen Dunkelziffer (vgl. Hellferich/Rabe 2010: 7) die sich aus der Zahl der Polizei nicht bekannter Fälle ergibt.
Zusätzlich ist der Menschenhandel oft nicht von anderen organisierten Verbrechen, wie dem Drogen- oder Waffenhandel und Gewaltdelikten, zu trennen. Neben einer komplizierten Rechtslage und schwierigen sozioökonomischen Hintergründe potentieller Opfer wird er auch durch besondere psychologisch-emotionale Täter*innen-Opferdynamiken begünstigt (vgl. ebd.: 43). Hieraus ergibt sich mit Blick auf Interventions- und Präventionsbedarfe die Notwenigkeit einer vielschichtigen Analyse. Dieser Herausforderung begegnet das Verbundprojekt PRIMSA durch eine interdisziplinäre bilaterale Forschungskooperation, die verschiedenste Problematiken wissenschaftlich fundiert untersucht und einen vielseitig einsetzbaren Präventions- und Interventionsapparat für die Praxisanwendung entwickelt.
Im Projekt werden in einem ersten Schritt sowohl Stärken als auch mögliche Bedarfe in bisher bestehenden Maßnahmen eruiert, um die Prävention und Intervention von Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung nachhaltig wirkungsvoller gestalten zu können (AP 3). Gleichzeitig werden wesentliche Determinanten in Bezug auf die Opfer-Täter*innen-Dynamiken (AP1) bzw. die Täter*innenstrukturen (AP2) generiert, sowie die rechtliche (AP4) und technische Sachlage (AP5) geprüft. Um den aktuellen Wissensstand prüfen zu können, werden quantitativ erhobene Daten vom deutschen und vom österreichischen Bundeskriminalamt und von Hilfsorganisationen für Opfer von Menschenhandel, zur Verfügung gestellt. Außerdem werden Bevölkerungsbefragungen, Experteninterviews und qualitative Interviews durchgeführt, um zusätzliche Daten zu generieren. Mit Hilfe dieses sogenannten ‚Mixed-Method-Ansatz’ sollen auf der Grundlage eines theoretischen Rahmenmodells möglichst viele Perspektiven in die zu entwickelnde Präventions- und Interventionstechnologie einfließen.
Ziele und Vorgehen
Polizeiliche Ermittlungsarbeit, strafrechtliche Verfolgung, nahezu undurchdringliche organisierte Täter*innenstrukturen, Zwangsmittel – die nicht selten die soziökonomische Lage im Herkunftsland einbeziehen – und sehr komplexe rechtliche Vorgaben bilden lediglich einen Auszug aus den facettenreichen Herausforderungen, die sich im Zusammenhang mit Menschenhandel abzeichnen. Die Entwicklung und Implementierung eines Instruments zur Verbesserung der Prävention und Intervention fußt daher auf einer mehrdimensionalen Forschung: aus technischen, soziologischen, juristischen, psychologischen, (sozial-)pädagogischen und sozialräumlichen Perspektiven werden unter anderem Aktenanalysen, teilstandarisierte Expert*innenbefragungen, qualitative Opfer- und Täter*innenbefragungen, eine standarisierte Bevölkerungsbefragung und die rechtliche Betrachtung der bestehenden Gesetze und Verträge durchgeführt, um einen Einblick in das Phänomen des Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung zu erhalten und die bestimmenden Determinanten in diesem Zusammenhang zu bestimmen.
Innovationen und Perspektiven
Prävention und Intervention im Bereich des Menschenhandels zum Zweck sexueller Ausbeutung soll mit Hilfe der in PRIMSA erarbeiteten Forschungsergebnisse unterstützt und in einer praktisch anwendbaren Präventions- und Interventionstechnologie zum Tragen kommen. Dafür werden u.a. Instrumente und Schulungskonzepte für unterschiedliche Berufsgruppen (Psychosoziale Beratung, Polizei, Justiz etc.) erstellt.